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AutorenbildRebecca von Faber

Über (deinen) Tod

Oft sprechen wir Menschen nicht gern über den Tod, wir verdrängen ihn, weil wir uns vor unserer Vergänglichkeit fürchten. Außerdem bedeutet der Tod auch gleichzeitig Verlust und Verlustangst ist ein unerträgliches und auffressendes Gefühl. Vor einiger Zeit habe ich aber realisiert, wie sehr der Tod mich eigentlich zu mir selbst führen kann.

Im November 2017 habe ich die für mich wichtigste Seele in meinem Leben verloren. Sie war auf einmal einfach nicht mehr da. Sie hatte mich immer begleitet, von meinem ersten Lebensjahr an und ich habe sie mehr geliebt, als andere. Wenn ich mir vorher Gedanken darüber gemacht hatte, wie es wäre, sie jetzt einfach zu verlieren, sind mir sofort die Tränen gekommen, ich wusste, dass dieser Verlust ein Loch in mir hinterlassen würde, wann auch immer es soweit wäre.


Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich mich auf deinen Tod mehr hätte vorbereiten sollen. Es wäre deutlich einfacher gewesen, die Verlustangst und den Schmerz zu fühlen, als es die Möglichkeit gab, auszusteigen und mich neben dich zu legen. Du wurdest alt. Und ich bin so unendlich dankbar für die wundervollen Jahre, die wir miteinander hatten.


Dein Tod hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich wusste für einen Moment nicht mehr, wer ich war oder wo ich hingehöre. Irgendwie hat nichts mehr Sinn ergeben und ich konnte die ersten zwei Tage nichts, bis auf weinen. Alles hat mich an dich erinnert, weil du Zuhause ausgemacht hast. Es hat so verdammt weh getan.


Es gibt manchmal Tage im Leben, die deine kleine Welt vollkommen auf den Kopf stellen werden, ohne, dass du es ahnen kannst, wenn du morgens aufwachst und dein Bett verlässt.

Es war ein Donnerstag, ein ganz normaler Schultag in der Klausurenphase vor dem Abitur als ich abends nach Hause gekommen bin und Mama mir gesagt hast, dass irgendetwas mit dir nicht ganz stimmt. Es klang aber so, als hättest du nur einen schlechten Tag, deswegen hab ich mir keine Gedanken darüber gemacht. Das Wochenende kam und ein Teil in mir hat bemerkt, dass es dir nicht ganz gut gehen kann, aber ich hatte viel vor und hab es nicht ernst genug genommen. Wir waren tanzen am Samstag, es wurde spät, ich bin daraufhin auf direktem Weg ins Bett. Am Sonntag wurde mir langsam klar, dass es ernst sein könnte. Ich hab mir Sorgen gemacht und bin den ganzen Abend nicht von deiner Seite gewichen. Mein Bauchgefühl wusste, dass es unser letzter gemeinsamer Abend sein würde, aber ich wollte das nicht wahrhaben. Dieser Funke Hoffnung, dass du wieder gesund werden könntest, wenn wir dich zu unserer Tierärztin bringen würden, war noch so groß.


Und dann kam Montag, der 27. November 2017. Es ist mir, egal wo ich an diesem Tag war, so unbeschreiblich schwer gefallen, nicht jeden Moment in Tränen auszubrechen. Morgens in der Schule und am Abend auf der Arbeit im Pflegeheim, wo die Bewohner besonders von meiner Positivität abhängig waren. Als ich endlich fertig war, hab ich mich wie immer in den Zug auf den Weg nach Hause gesetzt.

Ich hab Musik gehört, als mein Handy auf einmal klingelte und Mama mich auf einmal anrief und mir mit zittriger Stimme gesagt hat, dass es für dich keine Hoffnung auf Besserung mehr gibt, und dass du eingeschläfert werden musst.

Und dann kamen sie. Die Tränen aus Frust, Trauer, Schock, Resignation und Angst. Ich habe im Zug so bitterlich geweint, dass ich angesprochen wurde von Fremden, ob denn alles in Ordnung sei. In dieser Situation eine etwas dümmliche und vor allem überflüssige Frage, denn wer bricht schon weinend am Telefon zusammen, wenn alles in bester Ordnung ist...?

Ich bin so schnell ich konnte mit dem Fahrrad zum Tierarzt gefahren, um in deinen letzten Minuten bei dir sein zu können. Auf der Treppe in den ersten Stock bin ich gestolpert und fast meinen weinenden Eltern in die Arme gefallen.

Du sahst verängstigt aus, hast wahrscheinlich nicht verstanden, was los ist und es tat mir leid, dass ich dir so eine Angst gemacht habe mit meinen verzweifelten Tränen. Ich hatte selbst so eine Angst vor dem, was nach diesen wenigen Minuten kommen würde. Meine Welt ist in diesem Moment völlig aus der Bahn geraten.


Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, was unsere Tierärztin alles gesagt hat, oder was genau passiert ist, aber dir wurde eine Beruhigungsspritze gegeben und ich hab dich auf meinen Arm genommen, um dich noch ein letztes Mal ganz nah bei mir zu haben. Die Zeit ist stehen geblieben, als dir die letzte Spritze gegeben wurde. Für einen kurzen Moment ist noch einmal deine Lebensenergie in dir hochgekommen und ich hatte das Gefühl, dass du noch einmal kurzkämpfen wolltest, weil du selbst Angst hattest, als du müde wurdest.


Es war der bisher schlimmste Moment an den ich mich in meinem Leben erinnern kann, als dein Körper anfing, zu erschlaffen und du mit offenen Augen gegangen bist. Dein Kopf lag reglos auf meinem Oberschenkel und deine Seele langsam deinen Körper verlassen hat. Du warst nicht mehr da und dieser Schmerz in mir ging tiefer als alles, was ich je zuvor empfunden habe. Im ersten Moment war es, als hättest du einen Teil von mir mitgenommen, als wär ein kleiner Teil meines Herzens mit dir eingeschlafen.


Wir haben dich mitgenommen nach Hause und deinen Korb auf den Balkon gestellt um dich kühl zu halten bis wir dich unter die Erde bringen konnten. Ich weiß nicht mehr wirklich, was an dem Abend noch passiert ist, außer, dass ich einen Schnaps getrunken habe um anschließend im Bett mit jemandem zu telefonieren, der mir wirklich helfen konnte und dessen Worte mich aus diesem Loch ziehen konnten. Der Zustand der inneren Leere hielt trotzdem noch eine Weile an. Ich bin am nächsten Tag nicht zur Schule gegangen, weil alles aus Tränen bestand, weil ich das Gefühl hatte, ich werde verrückt. Am Abend haben wir dich beerdigt und heute wächst eine Christrose auf deinem Grab. Diese Blume hat für mich eine wundervolle Bedeutung, da sie angeblich dort anfingen zu wachsen, wo die Frauen der Cherokees um den Verlust ihrer Existenz weinten. Und so weinte ich über den Verlust von dir, was sich teilweise wirklich ein bisschen wie meine Existenz anfühlte. Du warst mein Leben und ich hatte dich so sehr geliebt. So sehr.


Seit du weg bist sind knapp 1,5 Jahre vergangen. Manchmal höre ich dich immer noch durch unser Haus tippeln und ich denke jeden Tag an dich, ausnahmslos. Aber es hat sich etwas in mir verändert, während ich diese Zeilen hier geschrieben habe. Aus der tiefen Trauer wurde immer mehr pure Liebe und Freude. Freude, dass du so lang Teil meines wunderbaren Lebens warst. Ich kann dich endlich loslassen und das ist mehr als befreiend. Du darfst gehen. Ich hoffe, es geht dir gut.


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